Zum Buch:
Hansileins erstes Wort war „nein“, und davon machte er nicht nur in den ersten Jahren des Sprechens ausführlich Gebrauch. Hansilein war ein Neinkind. Und was könnte beim mittlerweile erwachsenen Hans Sagmeister für dieses „nein“ besser stehen als ein Zaun oder besser noch: mehrere Schichten von Zäunen? Eine schöne Rolle Frontex-erprobten Spezialstacheldrahts, sogenannter NATO-Draht, kann man Mutter Sagmeister auch mal zum Geburtstag mitbringen, auch wenn diese das großzügige Geschenk nicht recht zu würdigen scheint.
Hans Sagmeister wohnt in einer Neubausiedlung im Europaweg in Unterbrombachkirchen und sieht sich selbst als aufrechten Bürger, der den Rahmen gesetzlicher Möglichkeiten gerne zu seinen Gunsten voll ausschöpft. Eigentlich geht es ihm aber nur darum, dass jeder – ob Postbote, neugierige Nachbarin oder Haustier – seine Grenze wahrt. Notfalls muss auch mal Murl, die Katze der Nachbarin, dran glauben. „Barmherzigkeit hat ihre Zeit gehabt. Hartherzigkeit entspricht der Gegenwart mehr. Ja, Hans ist hartherzig“. Murl hat seinen Raum eben nicht respektiert.
Wir haben es also mit einem Biedermann und Zaunfetischisten in Selbstisolation zu tun und lernen so einiges über die Geschichte der Zäune, über den Unterschied zwischen unzulänglichen Pollern, die auch in Reihe beim besten Willen keinen Zaun ergeben, und über die nur rudimentäre Abgrenzungsleistung eines schlichten Maschendrahtzauns.
Der Kontakt zu Menschen ging meistens nachteilig für Hans aus. Auch die Aufarbeitung seiner Exbeziehungen führt zu keinem anderen Schluss, als dass seine Mitmenschen einen äußerst defizitären Blick auf das Leben und ihn haben, seinem Zaununiversum einfach nicht gewachsen sind. Seine Zäune hingegen haben etwas äußerst Verlässliches.
Der Wiener Slam-Poetry-Pionier Markus Köhle hat einen unglaublich komischen Roman über einen Sonderling mit Zaunneurose geschrieben. Wieviel Satire man allerdings angesichts der hochaktuellen, politisch forcierten Abgrenzung, dem Ruf nach „Recht und Ordnung“ durch immer höhere Mauern verträgt, ist sicher individuell verschieden. Ja, das Lachen bleibt einem auch mal im Halse stecken. Aber „Land der Zäune“ ist eine ungemein kluge Auseinandersetzung mit all den Mächtigen dieser Zeit, die Ängste schüren, um Grenzen, Mauern und Mangel an Menschlichkeit zu rechtfertigen.
Der kleine, österreichische Sonderzahlverlag lohnt nicht nur wegen des hier empfohlenen Romans einen zweiten und dritten Blick, sondern auch wegen des Essayismus als Lebensform, dem sich dieser Verlag verschrieben hat.
Larissa Siebicke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt