Zum Buch:
Berlin schläft nicht in der Nacht. Auf dem Jahrmarkt wird ein Bierchen getrunken, im Bankierssalon geflirtet, durch die Straßen patrouilliert, aus Dummheit geschossen, es wird notoperiert, im Bordell der Baronin Geld verdient. Und manches Mal hängt an den Wimpern der schlafenden Gattin die letzte Träne, wenn ein Ehemann nach Mitternacht nach Hause kommt. Schwabachs wiederentdeckter Roman könnte ein Film sein, so schillernd und flirrend wie die Hauptstadt selbst in den 1930er Jahren des letzten Jahrhunderts.
Worüber sie nur alle reden, denkt Ilse Paulsen beim Bankiersdiner, und fühlt sich – selbst als Arztgattin – hier fehl am Platz; zumal ihr Dr. Paulsen nur noch Ohren und Augen für seine Tischnachbarin hat.
So tief versunken schauen sich an diesem Abend außer den beiden feinen Herrschaften auch Margot und Harry beim Tanz in der Kolibri-Bar an. Sie will zum Film, er ist Kameramann, besser könnte sie‘s nicht getroffen haben! Bis der gemeinsame Abend durch den Anruf des Polizeipräsidiums ein jähes Ende nimmt.
Ein unverhofft glückliches Ende dagegen hält die Nacht für Cilly und Franz bereit. Dem Straßenmädchen, das sich im Salon von Franz die Dauerwelle legen lässt für weniger als vier Mark, macht der Friseur mit dem Buckel einen Antrag. Denn Franz mag Kinder, und Cilly hat einen kleinen Sohn, der auf dem Land lebt und – was für ein Zufall – auch Franz heißt.
Das bunte Berlin vermisste Schwabach, Nachfahre einer jüdischen Bankiersfamilie, in seinem Londoner Exil schmerzlich. Deshalb, so möchte man meinen, hat er im Bilderbuch einer Nacht die schönsten und bittersten Seiten der Stadt heraufbeschworen, dabei Szenen in Reihe geschnitten, die alle miteinander verknüpft sind durch die eine oder andere Figur. Und schon leben wir selbst in dieser Oktobernacht der 1930er-Jahre – eine faszinierende Zeitreise in die Vergangenheit.
Susanne Rikl, München