Detail

Drucken

Heimkehr

Autor
Büscher, Wolfgang

Heimkehr

Beschreibung

Wolfgang Büscher ist gerne und oft unterwegs, zumeist zu Fuß, und er schreibt darüber. Mal geht es von Berlin nach Moskau, mal von Nord nach Süd durch Amerika. Auch in seinem neuen Buch geht es um eine Reise, diesmal in ein fern gewordenes Land: Nach Nordhessen, wo er aufgewachsen ist. Ein Dreivierteljahr verbringt er allein in einer Hütte im Wald. Monate im engen Radius einiger Kilometer. Auch Heimkehr ist wieder ein Buch voller Begegnungen, Geschichte und Geschichten, aber diesmal geht Büschers Blick nicht in die Weite, sondern in die Tiefe, und am Ende steht nicht nur ein Abschied.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Rowohlt Berlin, 2020
Seiten
208
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-7371-0089-2
Preis
22,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Wolfgang Büscher, geboren 1951 bei Kassel, ist Schriftsteller und Autor der «Welt». Seine Reiseerfahrungen, schrieb «Der Spiegel», «gehören zum Besten, was in den letzten Jahren in deutscher Sprache erschienen ist». Büscher veröffentlichte zahlreiche Bücher, darunter «Berlin – Moskau» (2003), «Deutschland, eine Reise» (2005), «Hartland» (2011) und «Ein Frühling in Jerusalem» (2014). Für sein Werk wurde er vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Kurt-Tucholsky-Preis, dem Johann-Gottfried-Seume-Literaturpreis und dem Ludwig-Börne-Preis.

Zum Buch:

Wolfgang Büscher ist gerne und oft unterwegs, zumeist zu Fuß, mal von Berlin nach Moskau, mal rund um Deutschland, mal von Nord nach Süd durch Amerika. Auch in seinem neuen Buch geht es um eine Reise, auch diesmal in ein – ihm, der seit langem in Berlin lebt – inzwischen fernes Land: nach Nordhessen.

Es beginnt in einem leeren Haus. Hier, am Rand eines Waldes im Nordhessischen, nahe einer Residenzstadt, ist der Autor Wolfgang Büscher aufgewachsen. Er nennt es eine Kindheit als “Halbfreier” – morgens Schule, nachmittags die Freiheit im Wald. Jetzt – das Elternhaus steht zum Verkauf – erfüllt Büscher sich einen Kindheitstraum. Er will eine Zeit lang in einer Hütte im Wald leben. Ein Freund hat ihn mit dem Eigentümer des Waldes, dem Erbprinzen der Fürstenfamilie, bekannt gemacht, und der überlässt ihm seine Jagdhütte. Dort wohnt er nun, unter selbst gewählten, kargen Bedingungen: kein Strom, kein fließendes Wasser, ein Ofen, ein Feldbett, ein Campingkocher. So wird es ein Dreivierteljahr lang sein.

Heimkehr ist kein chronologisch erzählter Text, einzig der Wandel der Jahreszeiten gibt den Rhythmus der vergehenden Zeit vor. Büscher erzählt von Wanderungen durch den sturmverwüsteten Wald, von der Arbeit des Försters und der Waldarbeiter, von einem Osterfeuer, einem Waldfriedhof, einer Jagd, unterbrochen von Erinnerungen an Kindheit und Jugend. Er beschreibt Begegnungen und Begebenheiten, erzählt Geschichte und Geschichten. Büscher ist weder Natur- noch Sozialromantiker und sein Blick auf das Naheliegende ist klar beobachtend wie bei seinen Wanderungen durch fremde Welten.

Berührend sind Büschers Schilderungen der Besuche bei der im nahen Hospiz sterbenden Mutter. Sie wäre gerne in die Stadt gegangen, hätte eine Ausbildung gemacht, aber da sie die jüngste Tochter war, galt eine selbstverständliche Regel: Sie wird für die alten Eltern da sein, dafür erbt sie das Haus. Der Sohn weiß, dass sie im Stillen gehofft hatte, auch er würde sich daran halten; aber er war der erste, der den Generationenpakt aufkündigte und, so bald es möglich war, das Elternhaus verlassen hat.

Was Heimkehr von Büschers Büchern über seine langen, vorangehenden Wanderungen unterscheidet, ist die größere emotionale Ambivalenz, mit der er auf das Vertraute/Fremde blickt. In einem Schützenfest – von Städtern zumeist als Inbegriff reaktionärer Heimatbeschwörung abgetan – sieht er ein teils ernstes, teils ironisches dreitägiges “Königsspiel”, in dem alle ihre Rolle haben. An einer Jagd, die der Erbprinz veranstaltet, nimmt er als Treiber teil und betrachtet diese Form der Traditionspflege, in der alte Hierarchien, gesellschaftlich wirkungslos zwar, aber deutlich vorhanden sind, wohlwollend als eine Form sozialer Verbundenheit. Die etwas zu große Bewunderung, die er dem Erbprinzen entgegenbringt, hindert ihn aber nicht, zu den Verstrickungen der Fürstenfamilie während der NS-Zeit zu recherchieren.

Heimkehr ist ein wehmütiges, aber keineswegs sentimentales Buch voller Abschiede und eine Liebeserklärung an eine bedrohte Landschaft. Denn dieser bewirtschaftete Wald ist krank. Hitze, Dürre, Stürme und Schädlinge setzen ihm zu, und selbst wenn es gelingt, ihn zu erhalten, wird er nicht mehr derselbe sein. Und es ist ein Abschied von einem dreivierteljährigen “einfachen Leben”. Bevor Büscher wieder zurück in die Großstadt fährt, geht sein Blick noch einmal über die weiten Hügel, und er sieht der Sonne zu, wie sie im Westen sinkt. Sieht, “…wie der rote Ball auf der dunklen Linie aufkam, wie es ihn quetschte und er beinahe geplatzt wäre, bevor er in die Wälder fiel, aus denen ich kam.”

Ruth Roebke, Bochum