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Autor
Osang, Alexander

Fast hell

Untertitel
Beschreibung

Sie fahren nach St. Petersburg und reisen in die Vergangenheit: Alexander Osang als Reporter, der für den Spiegel einen Text über einen „rätselhaften Ostdeutschen“ schreiben soll, sein Bekannter Uwe, der sich bereit erklärt hat, über sein schillerndes Leben zu sprechen, und Uwes Mutter. In dem Zwielicht der weißen Nächte von St. Petersburg lösen sich die Grenzen zwischen Realität, Erinnerung und Fiktion auf. Und aus dem Artikel für das Spiegel-Sonderheft wird eine „Geschichte, in der alles mit allem zusammenhängt“, ein Rückblick auf die Wende und das Leben der beiden Ostberliner Jungs, ein Essay über Ende und Anfang, ein unglaublich facettenreiches Porträt der DDR und all der Ostdeutschen, die noch heute das Gefühl in sich tragen, auf der Flucht zu sein.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Aufbau Verlag, 2021
Format
Gebunden
Seiten
237 Seiten
ISBN/EAN
978-3-351-03858-8
Preis
22,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Alexander Osang, geboren 1962 in Berlin, studierte in Leipzig und arbeitete nach der Wende als Chefreporter der Berliner Zeitung. Seit 1999 berichtet er als Reporter für den SPIEGEL, acht Jahre lang aus New York, und bis 2020 aus Tel Aviv. Für seine Reportagen erhielt er mehrfach den Egon-Erwin-Kisch-Preis und den Theodor-Wolff-Preis. Er lebt heute mit seiner Familie in Berlin. Zuletzt erschien von ihm der Roman “Die Leben der Elena Silber”, der für den Deutschen Buchpreis nominiert war. Im Aufbau Taschenbuch ist sein Erzählungsband “Winterschwimmer” lieferbar.

Zum Buch:

Sie fahren nach St. Petersburg und reisen in die Vergangenheit: Alexander Osang als Reporter, der für den Spiegel einen Text über einen „rätselhaften Ostdeutschen“ schreiben soll, sein Bekannter Uwe, der sich bereit erklärt hat, über sein schillerndes Leben zu sprechen, und Uwes Mutter. In dem Zwielicht der weißen Nächte von St. Petersburg lösen sich die Grenzen zwischen Realität, Erinnerung und Fiktion auf. Und aus dem Artikel für das Spiegel-Sonderheft wird eine „Geschichte, in der alles mit allem zusammenhängt“, ein Rückblick auf die Wende und das Leben der beiden Ostberliner Jungs, ein Essay über Ende und Anfang, ein unglaublich facettenreiches Porträt der DDR und all der Ostdeutschen, die noch heute das Gefühl in sich tragen, auf der Flucht zu sein.

Am Hafen von St. Petersburg stößt zu der Dreiergruppe noch eine Deutsch-Amerikanerin, Rita, eine Agentin, wie sich im Lauf des viertägigen Besuchs herausstellen wird. Ja, am Ende wird auch Uwe beichten, für die Stasi gearbeitet zu haben. Wie hätte er sonst auch sein Dolmetscher-Studium finanzieren sollen, für das sein Vater, Unterwasserschweißer, keine Ostmark – und übrigens auch später keine D-Mark – rausgerückt hat? Mit Luxusgüterschmuggel in Hongkong ging das nur eine Weile gut. Dann kam die Wende, und Karl, Uwes Bruder, transportierte ein einziges Mal Drogen statt der Friedrichshainer Prostituierten und landete sofort im Knast. Währenddessen hatte Uwe mit beantragter Green Card einen Posten als Dozent für DDR-Literatur und -film an der New Yorker Uni ergattert. Und wenig später gewann er zusammen mit einem der Piloten, der eine der Todesmaschinen von 9/11 in der Nacht aus Kalifornien nach Newark geflogen hatte, bei einer Stadtlotterie ein Haus in Spanish Harlem. Uwes Leben – wo auch immer auf der Erdkugel er sich gerade aufhielt– war stets spektakulär. Ob das nun an Uwe liegt oder an den Mengen von Wodka, die während der nächtlichen Gespräche in St. Petersburg fließen, bleibt im Unklaren.

Sehr deutlich dagegen wird, dass Uwes filmreife Szenen nur eine Facette der ganzen Geschichte ausmachen, dass Alexander Osang auf dem Spaziergang in die Vergangenheit zuweilen Harmonien, zuweilen Dissonanzen, zuweilen neue Akkorde erlebbar macht, und das immer auf der Suche nach dem Klang einer überprüfbaren Wahrheit, die nicht existiert. Sprachlich brillant, will dieser Essay sich nicht festlegen auf Historisches, Gesellschaftliches, Familiäres, sondern lässt ebenso selbstverständlich Kulinarisches wie Klimatisches, Verstörendes wie Vertrautes nicht aus. Ein Buch zum grenzenlosen Staunen!

Susanne Rikl, München