Zum Buch:
Philip Bowman ist direkt nach der Schule in die Armee eingetreten und hat während des Amerkanisch-Japanischen Kriegs in der Schlacht von Okinawa gekämpft. Nach Kriegsende kehrt er in die Heimat zurück. Er hat Glück gehabt, denn trotz lebensbedrohlicher Situationen ist er körperlich unversehrt geblieben. Er studiert, beginnt in einem literarischen Verlag zu arbeiten, macht eine Karriere als Lektor. Er verliebt sich, heiratet, wird geschieden. Verliebt sich neu, aber die Liebe erkaltet. Dann trifft er die Frau seines Lebens und wird betrogen …
Das ist „Alles, was ist“. Ein alltägliches Leben mit seinen Höhen und Tiefen, undramatisch, aber nicht banal. Dieser Philip Bowman ist von seinen Kriegserlebnissen keineswegs traumatisiert, aber er wirkt seltsam unbeteiligt. Er weicht dem Leben und seinen Verlockungen oder Zumutungen nicht aus, aber nichts, was ihm geschieht oder was er tut, trifft ihn wirklich. Es scheint, als ob die existentiellen Erfahrungen, die er als junger Mensch gemacht hat, ihn nun daran hindern, sich mit Haut und Haar ins Leben zu werfen. Welche Verluste ihn auch treffen – im Innersten bleibt er unberührt.
Die Handlung des Romans verläuft chronologisch, spart aber alles, was Amerika in diesen Jahrzehnten erschüttert und bewegt hat, aus, so als würde auch das Philip Bowman nicht wirklich etwas angehen. In den Erzählstrom fließen immer wieder die Lebensläufe der Menschen ein, die in seinem Leben eine kleinere oder größere Rolle spielen – so unangestrengt, dass es die Handlung nie unterbricht. Dadurch entsteht, von den 50er Jahren bis fast in unsere Zeit hinein, das Muster einer Gesellschaftsschicht, die weitgehend unbehelligt von Katastrophen bleibt, die nicht selbst verursacht sind. Das Glück ist aber auch dort nicht zu Hause. Nichts scheint von Dauer zu sein, überall zerbrechen Beziehungen, werden die Ehen geschieden, neue Partnerschaften eingegangen.
Es ist die große Kunst von James Salter, dass man sich trotz absolut fehlender Dramatik in „Alles, was ist“ keine Sekunde mit dem Buch langweilt – immer vorausgesetzt, man kann sich auf diesen ruhigen, kühlen, leicht melancholischen Tonfall einlassen. Salter ist ein Meister der beiläufigen Schilderung, aber es gelingt ihm mit seiner Sprache, Landschaften und Begebenheiten sinnlich leuchten zu lassen. „Alles, was ist“ ist Salters erster Roman seit 35 Jahren, und er hat darin seine ganze erzählerische Meisterschaft noch einmal gebündelt.
Ruth Roebke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt