Zum Buch:
Eine Schafhirtin in einem Graubündner Tal hat über einige Monate aufgeschrieben, was ihr Leben in der Abgeschiedenheit ausmacht und was sie beschäftigt. Pia Solèr ist knapp vierzig und lebt den größten Teil des Jahres “alleine zuhinterst im Tal” in Vanescha und auf der Alp Scharboda. Sie ist keine esoterische Aussteigerin, keine realitätsfremde Idealistin, keine seltsame Eigenbrötlerin. Ich denke, es ist wichtig, das vorauszuschicken.
Pia Solèr hat sich bewusst für einen anderen Lebensraum entschieden. Einen Lebensraum, in dem man die Weite fühlen kann – und in der Weite sich selbst. In den Aufzeichnungen der Hirtin hat die Sorge um die Tiere, ihre eigene finanzielle Situation, haben Erinnerungen an Reisen nach Libyen, Marokko, China und in die Pyrenäen ebenso ihren Platz wie Telefongespräche mit dem Bruder in Los Angeles, Träume, überlebensnotwenige Beobachtungen von Wind und Wetter, der Lieblingsautor, das renovierungsbedürftige Haus in Cons und die Rezeptur einer Teemischung. Es sind Aufzeichnungen, die nicht nur durch ihre Authentizität bestechen. Auch Einsichten und Beobachtungen, die die Hirtin in klare Worte fasst und ausspricht, sind beeindruckend. Unsere Gesellschaft schützt sich vor Erkenntnissen solcher Art, indem sie Menschen wie Pia Solèr etikettiert, in eine Schublade streckt und diese dann mit einem eleganten Schwung schließt. Damit ist das Problem des Nachdenkens über eigene – und andere – Lebensweisen stilvoll beseitigt. Die Autorin dagegen weicht der Konfrontation mit anderen Welten nicht aus, und gerade das macht ihr Buch als Dokumentation eines außergewöhnlichen Lebens so wertvoll.
Susanne Rikl, München