Zum Buch:
Von den vielen Romanen, die ich in den letzten vier, fünf Jahren gelesen habe, ist dieser hier ganz sicher einer der härtesten. Und gewiss einer der besten. Und wenn ich Handwerk des Teufels empfehle, weise ich zuallererst immer auf die abgedruckten Teaser hin, die ich, als Leser und Rezensent, für völlig überzogen halte. Ich meine: »Sie werden nachts Ihre Tür abschließen« – ich bitte Sie. Der Roman ist düster. Das stimmt. Teilweise sehr heftig, das stimmt auch, und das sage ich dann auch gleich dazu, weil es da mitunter Szenen gibt, die liest man wirklich besser kein zweites Mal. Aber man muss es auch nicht gleich übertreiben, von wegen „Tsunami des Bösen“.
Irgendwo im abgewirtschafteten Mittleren Westen der 50er Jahre. Die Mutter des fünfzehnjährigen Arvin liegt im Sterben, der Krebs zerfrisst sie bei lebendigem Leib. Um dem Ende nicht ohnmächtig zusehen zu müssen und um die Gnade eines vielleicht doch noch barmherzigen Gottes zu erflehen, schleppt sein Vater ihn Nacht für Nacht einen nahen Hügel hinauf und in den Wald, um dort gemeinsam unter einem abgestorbenem Baum bis zur Erschöpfung zu beten. Irgendwann nagelt der Vater ein Eichhörnchen an den toten Baum. Eine erste Opfergabe. Als Nächstes muss Arvins geliebter Hund für den Wahnsinn herhalten, aber da der unbarmherzige Gott immer noch schweigt, muss es wohl ein Menschenopfer sein, um ihn zum Reden zu bringen.
Dann sind da die abgemagerte, drogensüchtige Kellnerin Sandy und ihr psychopathischer Freund und Hobbyfotograf Carl, die sich, sobald Sandy ein paar Hundert Dollar als Nutte dazuverdient hat, in Carls Wagen auf eine Spritztour begeben und gezielt nach männlichen Trampern Ausschau halten. Carl bietet ihnen dann an, Sandy kostenlos auf dem Rücksitz oder im Straßengraben zu nehmen. Dabei macht er Fotos. Noch während des Akts bringt er die Tramper um, zerlegt sie und … macht anschließend noch mehr Fotos. Denn Carl hat einen Auftrag. Von dem aber nur Carl weiß.
Und schließlich gibt es noch die beiden Wanderprediger: Roy und der pädophile, versoffene Theodor, die gemeinsam umherziehen und in kleineren Ortschaften „auftreten“. Während Theodor auf der Gitarre spielt und Erweckungslieder krächzt, stopft sich Roy giftige Spinnen in den Mund und kaut und schluckt, um den fassungslosen Zuschauern die Gnade des Allmächtigen zu verdeutlichen. Dann wird ein Hut herumgereicht. Dann ziehen sie endlich weiter.
In all seinen Erzählsträngen schildert Pollock die Lebensläufe ganz unterschiedlicher Menschen, die im Namen eines Gottes zu allem fähig sind und auch vor der letzten Grausamkeit nicht zurückschrecken, da sie sich auf der richtigen Seite wähnen. Und während sie dabei – zwangsläufig – scheitern, blickt er ihnen in die Augen und versucht, ihr rätselhaftes Tun zu verstehen. Und wir, die Leser, schauen ihm dabei gefesselt zu. Pollock versteht es, auf empfindlich unzweideutige Weise die Dinge, so übel und schmutzig sie auch daherkommen mögen, schonungslos und direkt beim Namen zu nennen, in einer Sprache, die den Leser schon nach den ersten drei Sätzen nicht mehr loslässt.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln