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Autor
Taseer, Aatish

Terra Islamica

Untertitel
Auf der Suche nach der Welt meines Vaters. Aus dem Englischen von Rita Seuß
Beschreibung

Der britische Journalist Aatish Taseer tritt in seinem ersten Buch eine Reise der ganz besonderen Art an: Er nimmt sich mehr als ein Jahr Zeit, um die islamische Welt in ihren gesellschaftlichen Erscheinungsbildern und in Gesprächen mit Muslimen kennenzulernen.

Verlag
Beck Verlag, 2010
Format
Gebunden
Seiten
365 Seiten
ISBN/EAN
978-3-406-59822-7
Preis
24,95 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Aatish Taseer, geb. 1980, lebt als Journalist und Schriftsteller in London und Neu-Delhi. Seine Reportagen über junge Islamisten, u.a. für das TIME Magazine und die Sunday Times, haben international Aufsehen erregt. Demnächst erscheint sein erster Roman “The Temple Goers”.

Zum Buch:

Der britisches Journalist Aatish Taseer tritt in seinem Buch eine Reise der ganz besonderen Art an: Er nimmt sich mehr als ein Jahr Zeit, um die gesellschaftliche Welt in ihren gesellschaftlichen Erscheinungsbildern und in Gesprächen mit Muslimen kennenzulernen.

Auslöser für diese Suche nach dem Wesen des Islam ist ein Brief seines Vaters. Salmaan Taseer, der pakistanische Politiker, der nur kurz mit Aatish Taseers Mutter, einer indischen Journalistin, liiert war und kurz nach der Geburt des Sohnes aus politischen Karrieregründen die Beziehung beendete, beschuldigt den Sohn, “gehässige antimuslimische Propaganda” zu betreiben. Aatish Taseer hatte eine Titelgeschichte im Time Magazine über junge britische Pakistanis veröffentlicht und sie als “Innbegriff des islamischen Extremismus in Großbritannien” bezeichnet. Wie sein Vater ist auch Taseer Muslim, empfindet seine Erfahrung mit dem Islam jedoch als “große Leerstelle”. Bei der Lektüre wird allerdings klar, dass der Wissensstand des Autors erst einmal erreicht sein will, um den Beobachtungen und Ausführungen folgen zu können.  

Taseers Reise führt ihn von der unter Atatürk säkularisierten Türkei über Syrien, wo gerade große Erregung über die in Dänemark veröffentlichten Mohammed-Karikaturen herrscht, nach Mekka, ins Zentrum der islamischen Welt, und weiter in den Iran, wo er vom Geheimdienst über Absicht und Zweck seines Aufenthaltes befragt und zur Ausreise genötigt wird. In Pakistan schließlich kommt es zur Konfrontation mit dem Vater.

Es käme einer Abschrift des Buches gleich, wollte man die Erkenntnisse wiedergeben, die Taseer auf dieser Reise gewinnt. Aber immer wieder tritt die enge Verknüpfung von Politik, Machtausübung und Religion in den Blick; oftmals auch Brüche in der geschichtlichen Entwicklung, die zum Beispiel in Pakistan zu einer radikalen Veränderung der gesellschaftlichen Struktur, nicht aber zum Ende von Willkür und Korruption geführt haben.  

Als aufgeklärter Europäer könnte man sich über solcherlei Verflechtungen erhaben fühlen. Aber dann kommt einem – leise und eindringlich – die Stimme von Özkan in Istanbul wieder in den Sinn, der von der Sinnentleerung aller Kulturen durch das anthropozentrische Weltbild spricht: “Das moderne System entleert diese Kulturen ihres Inhalts und macht sie zu einem reinen Konsumprodukt.” Genau das geschieht auch hier im Westen. Und aus vielen über den Islam formulierten Erkenntnissen lassen sich solche Querverbindungen zu Politik, Geschichte und Situation der westlichen Welt ziehen.  

Ein reiches, ein sehr persönliches und deshalb spannendes Buch. Ein Buch, in dem der Autor seine mehr als distanzierte Haltung zum Islam aus vielen Quellen speist: aus den Gesprächen, die er geführt hat, aus den politischen Ereignissen in der islamischen Welt zwischen November 2005 und Dezember 2007 und nicht zuletzt aus dem gespannten Verhältnis zum eigenen Vater. Ein Buch, das durch diese stets erkennbare Haltung die Grenze zwischen politischer Reportage und Erfahrungsbericht ganz bewusst überschreitet.  

Susanne Rikl, München