Zum Buch:
Zehn Tage im Februar – das ist die Berlinale, zu deren Eröffnung die Titelfigur des gleichnamigen Buches gerade gehen will. Als sie nach Hause kommt, um sich stilgerecht in Schale zu werfen, findet sie auf einem Zettel die Nachricht: „Ziehe für zehn Tage zu Sepp, das ist besser für uns beide.“ Ihr Mann – im ganzen Buch nur lapidar „der Mann“ genannt – hat sie verlassen. Was den Leser, je mehr er die Heldin kennenlernt, nicht wirklich wundert, gilt doch ihre wahre große Liebe nur einem – dem Kino.
Der Text schickt die Protagonistin durch die Tage des Festivals, unterbrochen durch die Rückschau auf ihr Leben, das ganz vom Kino geprägt ist. Von der Lust am Filmegucken über die ersten Versuchen, in der Branche Fuß zu fassen, bis hin zur etablierten Filmkritikerin. Und so wie die Heldin ihr Leben zumeist in Rollen gelebt hat und vor wirklichen Gefühlen davon gelaufen ist, stürzt sie sich auch jetzt in den Festivaltrubel. Sie wartet auf ein Treffen mit der großen Regisseurin Jane Campion, mit der sie vor Jahren einen kurzen, intensiven Kontakt hatte. Von einem Gespräch mit ihr erhofft sie sich Hilfe in dem realen Melodrama, das sie inszeniert hat und aus dem sie nicht mehr herauskommt. So wie die taffe Oberfläche der Heldin zunehmend bröckelt, wächst das Misstrauen beim Lesen. Was stimmt hier eigentlich und was nicht? Wie vertraut ist sie mit „Jane“? Was war diese Nacht im Hotel mit „Tim“? Wie gefangen ist sie in einem Film, in dem sie nie wirklich Regie geführt hat?
Still und leise wohnt der Leser der langsamen Dekonstruktion der Hauptfigur bei. Fast unbemerkt kommen unter der glatten Oberfläche einer stilsicheren, trinkfesten, sich selbstbewusst gebenden Frau die Einsamkeit und Verunsicherung eines Menschen hervor, der sein Leben in Rollen lebt und wenig über sich selbst weiß. Je mehr die zehn Tage verstreichen, desto stärker spürt die Heldin den Verlust „des Mannes“, und langsam wachsen in der schnodderigen, ironischen Frau der Schmerz und die Verwunderung darüber, verlassen worden zu sein.
Heike-Melba Fendel ist es gelungen, aus einem schrägen Plot mit einer ebensolchen Heldin einen Roman zu machen, den ich, nach anfänglicher Verwunderung und Distanz, mit zunehmendem Vergnügen gelesen habe. Eine Voraussetzung für den Spaß gibt es jedoch: ein wenig verfallen sollte man selbst dem Kino allerdings schon sein.
Ruth Roebke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt