Zum Buch:
Wann beginnt eine Frau, ihr eigenes Leben zu leben? Wenn sie von zu Hause auszieht und studiert? Wenn sie sich verlobt, heiratet, Kinder bekommt? Anne Tyler erzählt die Geschichte einer Frau, die lange, sehr lange den ihr vorgegebenen Bahnen folgt. Dabei ist sie schlau und stark. Trotzdem bedarf es einer ganz besonderen Wende in ihrem Leben, damit sie sich traut, sie selbst zu sein. Ein außergewöhnlicher Roman über ein scheinbar normales Leben.
Willas Mutter konnte von einem Tag auf den anderen verschwinden, wenn sie wütend war. Zurück blieben die Mädchen und der Vater, ein ruhiger, gutmütiger Mann. Er empfing seine Frau immer wieder mit offenen Armen, wenn sie zurückkam.
Die gleiche Willkür, ein bisschen männlicher gefärbt vielleicht, erlebt Willa bei ihrem Mann Derek, und Sean, einer ihrer beiden Söhne hat auch etwas davon. Willa dagegen bricht nie aus, ist immer bemüht, den Deckel auf dem Topf zu halten, auch wenn es in ihrem Leben brodelt. Und es brodelt auch bei ihrem zweiten Mann.
Jetzt kommt die Wende, glauben Sie? Nicht ganz falsch – sagen wir mal, da bahnt sich etwas an. Und zwar mit einem Anruf, der Willa zu einem Mädchen bestellt, das ihre Enkeltochter sein könnte, aber nicht ist. Die Mutter des Mädchens, Denise, war ein paar Jahre lang die Freundin von Willas Sohn Sean. Denise ist angeschossen worden, und niemand ist da, der sich um Cheryl, Denises Tochter, kümmern könnte. Gewohnt, Bitten zu erhören, fliegt Willa mit Peter, ihrem zweiten Mann, einem pensionierten Rechtsanwalt, nach Baltimore. Denise und Cheryl wohnen im Vorort in einer Straße mit schäbigen kleinen Häusern, in der alle Nachbarn untereinander vertrauter miteinander umgehen, als man das in Willas Familie je getan hat.
Es ist keine heile Welt, die Anne Tyler im zweiten Teil ihres Romans zeichnet, aber es ist eine andere, eine, die Willa guttut und aufweckt. Es ist nie zu spät.
Susanne Rikl, München