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Aus dem Schatten

Autor
Martins, Geovani

Aus dem Schatten

Untertitel
Erzählungen. Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Nicolai von Schweder-Schreiner
Beschreibung

In den Favelas von Rio de Janeiro ist jeder Tag ein Kampf ums schiere Überleben. Wer könnte also besser darüber schreiben als jemand, der diesen Kampf von Kindesbeinen an miterlebt hat? Dreizehn Geschichten aus der Feder eines großen Talents, ebenso ergreifend wie schonungslos – und absolut ehrlich.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Suhrkamp Verlag, 2019
Seiten
125
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-518-42858-0
Preis
18,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Geovani Martins, 1991 in einer Favela von Rio de Janeiro namens Rocinha aufgewachsen, hat vier Jahre lang die Schule besucht und danach verschiedene Job innegehabt. Aus dem Schatten ist sein Debüt, in Brasilien war es auf Anhieb ein Sensationserfolg. Dort wird Martins – wie inzwischen auch international – als Stimme eines neuen Realismus gefeiert. Heute lebt er in einer Favela namens Vidigal.

Zum Buch:

»Diese Zeit bricht immer über uns herein, als wäre es das Ende der Welt. Und das Ende der Welt macht uns entweder Lust, das Leben zu leben, bis alles in die Luft geht und danach die vollkommene Leere eintritt, oder aber es lässt uns verzweifeln, weil wir wissen, dass wir unvollendet enden.«

Die Favelas von Rio de Janeiro sind eine Welt für sich, in der nur ein einziges Gesetz herrscht: das der Straße. Zudem wird diese Welt geprägt von enthemmter Gewalt, von Prostitution, Diebstahl, Drogen und Mord. Denjenigen, die aufbegehren und aus dieser Hölle auszubrechen wollen, steht ein schier unüberwindliches Wagnis bevor, das nur den allerwenigsten gelingt. Und die, die bleiben, müssen sich jeden Tag aufs Neue dem Kampf stellen. Das müssen auch die Protagonisten in Geovani Martins’ Debüt Aus dem Schatten erfahren, und diese Erfahrung bleibt niemals folgenlos.

Da ist beispielsweise Paulo, der es nicht abwarten kann, bis sein Vater aus dem Haus geht, damit er mit dessen Revolver herumspielen kann, und der dennoch genau weiß, dass er damit nicht nur ein gegebenes Versprechen brechen, sondern auch den Respekt des Vaters verlieren wird.

Oder Desenho, der seinen Job als Laufbursche für die Dealer aufgibt und dafür dem blinden Senhor Matias zur Seite steht, während dieser in den Bussen Geschichten erzählt, um nicht betteln zu müssen. Am Abend hocken sie dann zusammen und koksen und reden wirres Zeug.

Dann ist da Dona Iara, die Hexe, die in einer heruntergekommenen Hütte am Fluss lebt und mit ihrem Zauber tödliches Fieber ebenso vertreibt wie Zeckenbisse. Vor ihr haben die Kinder zwar Angst, wie vor jeder richtigen Hexe, aber sie ist dennoch so angesehen, dass selbst die Kleinsten für sie beten, als sie im Sterben liegt.

Jedes dieser dreizehn Kleinode spiegelt auf extrem knappem Raum eine Gesellschaft wider, die unter rauesten Bedingungen lebt, und Martins versteht es dabei, ohne jeglichen Pathos auszukommen; im Gegenteil, seine Erzählweise ist genau dort so schonungslos, hart und unverblümt, wo es nun einmal nötig ist – und das ist bei fast allen seiner Geschichten der Fall. Ein großes Talent darf hier entdeckt werden.

Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln