Detail

Drucken

Feuer der Freiheit

Autor
Eilenberger, Wolfram

Feuer der Freiheit

Untertitel
Die Rettung der Philosophie in finsteren Zeiten (1933-1943)
Beschreibung

1933 – Simone de Beauvoir ist 25, Simone Weil 24, Ayn Rand 28 und Hannah Arendt 27 Jahre alt. Vier Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch gleichermaßen von den großen totalitären Bewegungen des 20. Jahrhunderts – dem Kommunismus und dem Nationalsozialismus – geprägt sind. Die sich aus unterschiedlichen Gründen auf unterschiedlichen Wegen dazu im Widerstand befinden und die dennoch eint, dass sie sich denkend und schreibend mit den zentralen Fragen dieser Zeit auseinandersetzen. Am Ende dieser Dekade haben alle vier ihre jeweils einzigartige Stimme gefunden und – bis auf Simone Weil, die bereits 1943 gestorben ist – den Grundstein für ihre einflussreichen philosophischen Werke gelegt.

Wolfram Eilenberger hat mit Feuer der Freiheit ein großartiges Buch über die persönliche und intellektuelle Entwicklung dieser vier Philosophinnen geschrieben, das von der ersten Seite an gefangen nimmt und dessen Verdienst es ist, ihr Denken in eine auch für “fachfremde” LeserInnen verständliche Sprache zusammenzufassen.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Klett-Cotta Verlag, 2020
Seiten
400
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-608-96460-8
Preis
25,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Wolfram Eilenberger, geboren 1972, war langjähriger Chefredakteur des Philosophie Magazins, ist Zeit-Kolumnist, moderiert die Sternstunden der Philosophie im Schweizer Fernsehen und ist Programmleiter der phil.cologne. In zahlreichen Talkshow- Auftritten im Deutschen Fernsehen gibt er der Philosophie eine Stimme und ein Gesicht. Sein Buch »Zeit der Zauberer« stand monatelang auf der Spiegel-Bestsellerliste und wurde 2018 mit dem »Bayerischen Buchpreis« ausgezeichnet. Zuletzt erschien sein Bestseller »Feuer der Freiheit«.

Zum Buch:

1933 – Simone de Beauvoir ist 25, Simone Weil 24, Ayn Rand 28 und Hannah Arendt 27 Jahre alt. Vier Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch gleichermaßen mit den großen totalitären Bewegungen des 20. Jahrhunderts – dem Kommunismus und dem Nationalsozialismus – konfrontiert sind. Feuer der Freiheit erzählt von ihren Versuchen, sich den politischen und gesellschaftlichen Wirren dieser Zeit zu stellen.

Das Buch beginnt mit einer kurzen Standortbestimmung im Jahr 1943: Paris ist immer noch von den Deutschen besetzt. Simone de Beauvoir sitzt im Café Flore und schreibt an ihrem Essay über den Existenzialismus. Sartre ist aus der Kriegsgefangenschaft zurück, und beide haben ihren Pakt der unbedingten Zugehörigkeit bei gleichzeitig absoluter Freiheit geschlossen, Beziehungen zu anderen einzugehen. In diesem Jahr wird Beauvoirs erster Roman Sie kam und blieb veröffentlicht, in dem sie diese Art der offenen Beziehung und eines ihrer Grundthemen, das Verhältnis von “Ich” und “Anderen”, thematisiert.

Simone Weil hat ihre Eltern auf der Flucht ins Exil nach New York begleitet. Statt im für Juden aus Europa sicheren Exil zu bleiben, kehrt sie zurück. In London will sie sich den Streitkräften des Freien Frankreich anschließen und in ihr Heimatland zurückkehren. Weil, die trotz ihrer zarten Konstitution, andauernden Krankheiten und eines schweren Sehfehlers im Spanischen Bürgerkrieg gekämpft hat, ist eine radikale Idealistin. In ihrem Eintreten für die Entwurzelten und Unterdrückten, ob durch das von ihr als unmenschlich gegeißelte kapitalistische Wirtschaftssystem oder durch die Verfolgung durch die Nationalsozialisten, ist sie kompromisslos und verausgabt sich körperlich wie geistig gleichermaßen. Mit unglaublicher Produktivität schreibt sie, inzwischen schwer krank, politische Analysen, philosophische Traktate und Artikel.

Ayn Rand, als Alyssa Rosenbaum in St. Petersburg geboren, erlebt als junges Mädchen im Verlauf der russischen Oktoberrevolution die Enteignung ihrer Familie und die Plünderung der elterlichen Apotheke. Die Erfahrungen in den Revolutionsjahren prägen ihre Weltauffassung und ihr Denken nachhaltig und begründen ihre lebenslange radikale Ablehnung aller staatlich verordneten Gleichheit und Einschränkung des Individuums. 1926 kann sie mit einem Urlaubsvisum zu Verwandten in die USA ausreisen. Dort ändert sie ihren Namen in Ayn Rand. Auch sie wird – ähnlich wie Beauvoir – ihre Gedanken zuerst in Romanen veröffentlichen. In die UdSSR kehrt sie nie mehr zurück.

Hannah Arendt lebt 1943 in New York. Nach einer kurzen Inhaftierung durch die Gestapo flieht sie bereits 1933 nach Frankreich. In Paris arbeitet sie für jüdische Auswanderungsorganisationen, wird später in Gurs interniert und kann fliehen. Zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Mann gelingt ihr 1941 über Lissabon die Einreise in die USA. Dort arbeitet sie weiter an ihrem Buch über Rahel Varnhagen und schreibt als politische Publizistin für verschiedene Zeitungen. Die katastrophale Situation der Juden in Deutschland und den von den Deutschen eroberten Ländern, fehlende Nachrichten von Freunden und die langsam durchsickernden Meldungen über die Todeslager stürzen sie in Verzweiflung.

Zurück ins Jahr 1933. Von hier aus entwickelt der Autor in Abschnitten von jeweils zwei Jahren die Verschränkung von Leben und Werk der Philosophinnen. Obwohl sie sich aus unterschiedlichen Gründen und mit unterschiedlichen Mitteln im Widerstand gegen die Totalitarismen ihrer Zeit befinden, eint sie, dass sie sich denkend und schreibend mit deren zentralen Fragen auseinandersetzen: der Stellung von Individuum und Gesellschaft, von Freiheit und Totalitarismus, mit den Auswirkungen von Ausgrenzung und Gewalt auf den Einzelnen und dem Verhältnis von Mann und Frau. Am Ende dieser Dekade haben alle vier ihre einzigartige Stimme gefunden und – bis auf Simone Weil, die bereits 1943 gestorben ist – den Grundstein für ihre einflussreichen philosophischen Werke gelegt.

1949 erscheint Simone de Beauvoirs große Studie Das andere Geschlecht, die zum Gründungstext der neuen Frauenbewegung wird. Ayn Rand hat mit ihren Romanen The Fountainhead und Atlas Shrugged großen, bis heute anhaltenden Einfluss auf Amerikas Neoliberale. Hannah Arendt zählt mit ihrer Berichterstattung vom Eichmann-Prozess in Jerusalem, der Studie Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, in der sie die gemeinsamen Merkmale von Nationalsozialismus und Stalinismus untersucht, sowie ihrem philosophischen Hauptwerk Vita aktiva zu den großen Stimmen im politisch-philosophischen Spektrum der Zeit. Simone Weil, die sich nie dem Judentum zugehörig fühlte und stark vom Katholizismus angezogen war, hatte im Laufe ihres Lebens immer wieder mystische Erfahrungen. Dies hielt sie jedoch nicht von ihrem Kampf um Gerechtigkeit und Würde ab, sondern steigerte ihre radikale Position der Anerkennung des Anderen und der Unterdrückten ins Absolute. Ihr posthum erschienenes Werk, Bücher und die Cahiers, gilt es nach Meinung des Autors noch zu entdecken.

Wolfram Eilenberger hat mit Feuer der Freiheit ein großartiges Buch geschrieben, das von der ersten Seite an gefangen nimmt. Sein Verdienst ist es, kein philosophisches Fachbuch geschrieben zu haben, sondern Denken und Wirken der vier Frauen in eine auch für “fachfremde” LeseIinnen verständliche Sprache zusammenzufassen.

Ruth Roebke, Bochum