Zum Buch:
Die Bildunterschriften lassen hier bereits das Grauen erahnen: Jüdische Buben leeren Senkgrube aus; Die Suppenration; Bad in Dachau; Nach 25 Schlägen; Angst; Hunger; Bestrafung; Ein Opfer im Steinbruch; Im KZ Banjica, Serbien; Zurück zur Arbeit; Häftling; Toter Häftling.
Es sind ohne Zweifel Zeichnungen, Bilder und Skizzen aus einer Hölle, die von Menschen geschaffen wurde, welche jeden Rest an Menschlichkeit längst verloren, oder – weit schlimmer noch – diese Tugend niemals besessen bzw. nicht einmal gekannt haben. Meine Freundin hatte mich gefragt, weshalb ich mir das antue, diesen Bildband nicht nur mehrmals durchzusehen, sondern ihn auch noch zu rezensieren, worauf ich nur zu sagen wusste, es sei wichtig. Ja, es ist wichtig, sich das anzusehen, wieder und wieder, damit man nicht vergisst, damit man versucht, sich in die Zeichner, die ja in fast allen Fällen in diesem Buch direkte Beobachter waren, hineinzuversetzen, auch oder gerade in dem Wissen, bei diesem Versuch kläglich zu scheitern – denn nur diejenigen, die dabei gewesen sind, wissen um die wahre Größe dieser Werke. Es hat den Zeichnern und Malern mit Sicherheit ein hohes Maß an Mut wie auch an Einfallsreichtum abverlangt, sie vor ihren Peinigern versteckt zu halten und noch aus der Hölle hinüber in die Welt zu retten. Ich stelle mir vor, dass allein die Tatsache, einen Fetzen Papier, einen Bleistiftstummel oder auch nur ein Bröckchen Holzkohle zu besitzen oder geheim zu halten, ihnen ungemein viel abverlangt hat. Sicherlich hätten diese Gegenstände auch gegen etwas … nun ja, Notwendigeres eingetauscht werden können, was umso erstaunlicher ist und ihre Größe noch mehrt.
Im April 1983 beendete und veröffentlichte Arturo Benvenuti (auf Italienisch): KZ-Zeichnungen aus den NS-Konzentrationslagern, ein Buch, das ein Ergebnis seiner vielen Reisen und Briefwechsel ist und das er im September 1975 begann. Hier liegt nun die jüngste Auflage vor, und wenn es keinen Preis gibt, der diese mit nichts zu vergleichende Arbeit, die Benvenuti sich auferlegt hat, zu würdigen weiß – dann sollte man diesen Preis schleunigst erfinden.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln