Zur Autorin / Zum Autor:
Luise Maier, geb. 1991 in Schardenberg (Österreich), wuchs in Vilshofen auf und lebt heute in Biel. Sie hat am Schweizerischen Literaturinstitut Biel/Bienne studiert. »Dass wir uns haben« ist ihr Debüt.
Sie leben zu viert in dem grün verputzten Haus am Stadtrand: Mutter, Vater, Sohn und Tochter. In aufeinander folgenden Miniaturen zeigt die Autorin Szenen aus dem Alltag der Familie, wie auf Glas gemalt, hinter denen im Lauf des Romans immer mehr Fäden sichtbar werden, die Eltern wie Kinder in ein Geflecht aus Liebe und Hass einbinden. Eine Familienchronik mit Abgründen, sprachlich unglaublich präzise, voller Bilder, die sich in die Netzhaut einbrennen.
(ausführliche Besprechung unten)
Sie leben zu viert in dem grün verputzten Haus am Stadtrand: Mutter, Vater, Sohn und Tochter. In aufeinander folgenden Miniaturen zeigt die Autorin Szenen aus dem Alltag der Familie, wie auf Glas gemalt, hinter denen im Lauf des Romans immer mehr Fäden sichtbar werden, die Eltern wie Kinder in ein Geflecht aus Liebe und Hass einbinden. Eine Familienchronik mit Abgründen, sprachlich unglaublich präzise, voller Bilder, die sich in die Netzhaut einbrennen.
Da ist die Mutter, die die Tür verriegelt, um malen zu können, im Flur die weinenden Kinder. Da ist der Bruder, der die jüngere Schwester provoziert und sich oft nur mit den Fäusten zu helfen weiß. Da ist der Vater, der den Sohn in den Keller sperrt und dann die Treppe zubetoniert, um den Sohn und sich selbst in Zukunft vor der eigenen Unbeherrschtheit zu schützen. Und da ist die Tochter, die die Geschichten erzählt, mit Worten die gnadenlos ehrlichen Bilder ihres Familienlebens malt.
Die Momentaufnahmen, in denen sich unaufhaltsam Satz an Satz reiht, offenbaren alles – was an der Oberfläche geschieht, was dieses Geschehen mit den Akteuren der kleinen Familienwelt macht und welche Spuren das Erlebte hinterlassen wird. Es sind Szenen wie diese: Der Vater, der sich ein handtellergroßes Fliegentier aus Plastik ans Hemd heftet und damit der Mutter, die als Künstlerin in einem Festakt vom Bürgermeister geehrt werden soll, auf ganz unauffällige, perfide Weise die Show stiehlt. Oder das Mädchen: für sie wird zwischen dem Schweigen der Eltern bei Tisch das schwarze festgebackene Sandkorn auf dem alten Lieblingsteller zu einem Auge, das zu ihr hinauf starrt.
Wie lange sie sich noch haben werden, die Mutter den Vater, der Vater die Mutter, die Kinder die Eltern und die Schwester den Bruder, das ist von der ersten Seite an ungewiss: die Mutter leidet an Morbus Crohn und wird mehrfach operiert, der Vater schützt seine Familie vor den eigenen emotionalen Berg- und Talfahrten, in dem er sich immer wieder aufs Rad schwingt und für ein paar Tage verschwindet. Miteinander führen sie ein Leben am Rand der Gesellschaft, das viele Freiräume öffnen könnte. Doch mit diesen Freiheiten muss man leben, sie wertschätzen und nutzen können.
Susanne Rikl, München